Haftungsfragen bei der Übernahme und Auflösung von Betrieben bzw. Unternehmen

Bei der Übernahme von Betrieben bzw. Unternehmen ist die Haftungsfrage von besonderer Wichtigkeit.

Haftung nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB)

Wer einen Betrieb oder ein Unternehmen durch ein Rechtsgeschäft (z.B. Kauf oder Schenkung) übernimmt, haftet auch für die unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten, die er oder sie bei Übergabe kannte oder kennen musste. Die Haftung der Übernehmerin/des Übernehmers ist aber mit der Höhe der übernommenen Aktiven beschränkt. Es handelt sich hier um die zwingende Haftung nach § 1409 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB).

Entgegenstehende Vereinbarungen zwischen der Verkäuferin/dem Verkäufer und der Übernehmerin/dem Übernehmer des Unternehmens zum Nachteil der Gläubigerinnen/Gläubiger sind diesen gegenüber unwirksam. Im Übrigen besteht die Haftung der Veräußererin/des Veräußerers eines Unternehmens auch nach Übergabe fort.

Sofern eine Befreiung der Verkäuferin/des Verkäufers von diesen persönlichen Verpflichtungen vorgesehen wird, muss entweder mit der Haftungsgläubigerin/dem Haftungsgläubiger (z.B. Banken) eine Befreiung von der Haftung vereinbart werden oder zwischen der Übergeberin/dem Übergeber des Unternehmens und der Erwerberin/dem Erwerber eine Haftungsfreistellung (in deren Innenverhältnis) vereinbart werden. Die Haftung nach außen bleibt grundsätzlich bestehen.

Hinweis

Keine Haftung besteht bei Unternehmenserwerb im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens (Exekution), aus einer Konkursmasse oder im Wege eines Sanierungsverfahrens.

Haftung nach dem Unternehmensgesetzbuch (UGB)

Über § 1409 ABGB hinaus kann auch eine Haftung gemäß § 38 Unternehmensgesetzbuch (UGB) eingreifen. Demnach übernimmt diejenige/derjenige, welche/welcher das Unternehmen erwirbt und fortführt, ab dem Zeitpunkt der Übernahme – sofern nichts anderes vereinbart ist – alle unternehmensbezogenen, nicht höchstpersönlichen Rechtsverhältnisse der früheren Inhaberin/des früheren Inhabers inklusive den bis dahin entstandenen Rechten und Verbindlichkeiten. Der dritte Vertragspartner kann allerdings der Übernahme des Rechtsverhältnisses binnen drei Monaten nach Mitteilung gegenüber der Veräußererin/dem Veräußerer bzw. gegenüber der Erwerberin/dem Erwerber widersprechen.

Die Fortführung eines Betriebes im Wege der Pacht, Leihe, Fruchtnießung oder des Rechtes des Gebrauchs und der Beendigung dieser Verträge gelten nicht als Unternehmenserwerb im Sinne des § 38 UGB.

Auch wenn unternehmensbezogene Rechtsverhältnisse der Veräußererin/des Veräußerers von der Erwerberin/vom Erwerber nicht übernommen werden, haftet sie oder er dennoch für die damit verbundenen Verbindlichkeiten. Dies gilt nur dann nicht, wenn eine davon abweichende Vereinbarung (Ausschluss der Haftung der Erwerberin/des Erwerbers) beim Unternehmensübergang in das Firmenbuch eingetragen bzw. auf verkehrsübliche Weise bekannt gemacht oder der Dritten/dem Dritten von der Veräußererin/vom Veräußerer oder von der Erwerberin/vom Erwerber mitgeteilt wurde.

Auch wenn die Haftung nach § 38 UGB wirksam ausgeschlossen wird, besteht daneben jene nach § 1409 ABGB.

Hinweis

Keine Haftung besteht (wie beim ABGB) bei Unternehmenserwerb im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens (Exekution), aus einer Konkursmasse oder im Wege eines Sanierungsverfahrens.

Eine umfassende Einsicht in die Geschäftsunterlagen ist in allen Fällen notwendig. Es ist ratsam, von der Verkäuferin/vom Verkäufer des Unternehmens eine schriftliche Erklärung zu verlangen, dass keine Schulden – außer den offengelegten – bestehen. Fehlende oder mangelhaft geführte Geschäftsbücher sollten Anlass zu besonderer Vorsicht geben.

Weiters sollten folgende Punkte berücksichtigt werden:

  • Haftung für Arbeitnehmeransprüche
    Die Nachfolgerin/der Nachfolger eines Unternehmens übernimmt alle im Zeitpunkt der Übernahme bestehenden Arbeitnehmeransprüche.
  • Haftung für Sozialversicherungsbeiträge
    Die Erwerberin/der Erwerber haftet für die im letzten Jahr vor der Übereignung angefallenen Sozialversicherungsbeiträge. Für eine Anfrage bei der Sozialversicherung ist die Zustimmung der Übergeberin/des Übergebers erforderlich. Im Fall einer Anfrage bei der Sozialversicherung haftet die Erwerberin/der Erwerber allerdings nur in der Höhe des Betrags, der von der Sozialversicherung als Rückstand genannt wird. Vor der Übernahme sollten Sie daher eine Anfrage an die Sozialversicherung richten. Die Erbin/der Erbe eines Unternehmens übernimmt als Gesamtrechtsnachfolgerin/Gesamtrechtsnachfolger alle offenen und noch nicht verjährten Sozialversicherungsrückstände der Erblasserin/des Erblassers.
  • Haftung für Steuerschulden
    Die Übernehmerin/der Übernehmer haftet für unternehmensbezogene Steuerschulden für das laufende Jahr (in dem die Übernahme stattfindet) und das Jahr zuvor. Eine Überprüfung beim Finanzamt oder bei der Steuerberaterin/beim Steuerberater ist zu empfehlen. Hierfür ist eine Zustimmung der Übergeberin/des Übergebers erforderlich.
  • Haftung für Abgabenschulden
    Abgabenschulden sind grundsätzlich persönliche und nicht übertragbare Schulden. Die Erwerberin/der Erwerber eines Unternehmens haftet jedoch unter bestimmten Voraussetzungen für die Abgabenschulden der Vorgängerin/des Vorgängers. Dabei ist zwischen Erwerben in Einzelrechtsnachfolge (Schenkung, Vermächtnis, Kauf) und Gesamtrechtsnachfolge (Erbschaft) zu unterscheiden. Im Falle einer Einzelrechtsnachfolge bleibt die Vorgängerin/der Vorgänger des Unternehmens gegenüber dem Finanzamt Abgabenschuldnerin/ Abgabenschuldner. Die Erwerberin/der Erwerber eines Unternehmens in Einzelrechtsnachfolge haftet für alle betrieblichen Abgaben (z.B. Umsatzsteuer, Energieabgaben, Kommunalsteuer) und Steuerabzugsbeträge (z.B. Lohnsteuer) für das laufende Jahr (in dem die Übernahme stattfindet) und das Jahr zuvor. Ausgenommen von dieser Verpflichtung ist die Einkommensteuer. Bei Erwerb eines Unternehmens durch Erbschaft gehen auf die Erbin/den Erben alle offenen Abgabenschulden – auch die Einkommensteuer – über.
  • Haftung für Betriebsanlagengenehmigungen
    Die Übernehmerin/der Übernehmer ist gewerberechtlich für nicht genehmigte Änderungen der Vorbesitzerin/des Vorbesitzers verantwortlich. Daher sollte geprüft werden, ob Umweltlasten bestehen und alle baulichen Maßnahmen der Behörde gegenüber angezeigt und genehmigt wurden.

Tipp

Notarinnen/Notare oder Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälte können Sie umfassend über Haftungen und deren Folgen informieren, beraten und unterstützen. Detaillierte Auskünfte zum Thema Nachfolgehaftungen erhalten Sie auch in der Beratungsstelle des Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW).

Weiterführende Links

Rechtsgrundlagen

Letzte Aktualisierung: 18. Juli 2022

Für den Inhalt verantwortlich: Bundesministerium für Justiz