Haftung von Entscheidungsträgern

Gesellschaftsrechtliche Haftung

Grundsätzlich haftet für Gesellschaftsschulden nur die Kapitalgesellschaft (AG, GmbH) selbst mit ihrem gesamten Gesellschaftsvermögen. Bei schuldhafter Verletzung von Sorgfaltspflichten (objektiver Sorgfaltsmaßstab) kann es jedoch nach den Bestimmungen des Aktiengesetzes bzw. des GmbH-Gesetzes zu einer direkten und persönlichen Haftung der Geschäftsführerin/des Geschäftsführers bzw. des Vorstandsmitglieds kommen:

  • gegenüber der Gesellschaft ("Innenhaftung")
  • gegenüber Dritten ("Außenhaftung")

Die Einzelunternehmerin/der Einzelunternehmer haftet dagegen immer persönlich und unbeschränkt mit dem Privatvermögen.

Darüber hinaus gibt es noch ein Sonderhaftungsrecht für das Baugewerbe in Form der AuftraggeberInnenhaftung für Sozialversicherungsbeiträge.

Strafrechtliche Verantwortung

Insbesondere Geschäftsführerin/Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstandsmitglieder einer AG können sich als Entscheidungsträgerinnen/Entscheidungsträger von Verbänden aufgrund von Bilanzdelikten nach dem StGB strafbar machen. Sie können auch aufgrund von Wirtschaftsdelikten wie Betrug ( oesterreich.gv.at) und Untreue ( oesterreich.gv.at) strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Unter bestimmten Voraussetzungen könnte der Verband selbst nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz strafrechtlich belangt werden.

Achtung

Im Folgenden wird ein grober Überblick über mögliche Haftungsfälle gegeben, der nicht abschließend ist.

Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes

Die Geschäftsführerin/der Geschäftsführer bzw. ein Vorstandsmitglied ist der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, bei der Geschäftsführung die Sorgfalt einer ordentlichen Geschäftsleiterin/eines ordentlichen Geschäftsleiters anzuwenden. Dabei handelt es sich um einen objektiven Sorgfaltsmaßstab, der z.B. durch persönliche Unfähigkeit nicht geschmälert wird. Die konkreten Sorgfaltspflichten variieren je nach Größe und Branchenzugehörigkeit des Unternehmens. Es besteht jedoch keine Erfolgshaftung. Mehrere Geschäftsführerinnen/Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder, die sorgfaltswidrig gehandelt haben, haften der Gesellschaft gegenüber als Gesamtschuldnerin/Gesamtschuldner. Die geschädigte Person kann sich demnach aussuchen, bei welchem Organmitglied sie die Haftung für den Gesamtschaden geltend macht. Sie darf die Leistung insgesamt jedoch nur einmal fordern. Ein anteiliger Regress gegenüber der Mitschädigerin/dem Mitschädiger ist möglich.

Eine Geschäftsführerin/ein Geschäftsführer oder ein Vorstandsmitglied haftet insbesondere, wenn

  • entgegen Bestimmungen des GmbH-Gesetzes bzw. Aktiengesetzes oder des Gesellschaftsvertrags Gesellschaftsvermögens verteilt wird (z.B. durch gesetzwidrige Gewinnausschüttungen oder durch die Rückzahlung von Einlagen)
  • oder wenn sie/er zu einem Zeitpunkt Zahlungen leisten, zu dem sie/er bereits die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens veranlassen hätten müssen.

Business Judgement Rule

Die sogenannte Business Judgement Rule (BJR) schützt Entscheidungsträgerinnen/ Entscheidungsträger vor einem zu großen Haftungsrisiko, indem trotz getroffener Fehlentscheidungen nicht haften, wenn sie gewisse Kriterien eingehalten haben.

Demnach handeln Geschäftsführerinnen/Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder jedenfalls im Einklang mit der Sorgfalt einer ordentlichen Geschäftsfrau/eines ordentlichen Geschäftsmannes, wenn sie

  • sich bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lassen (maßgeblich sind in erster Linie die Interessen der Gesellschaft),
  • diese Entscheidung auf Grundlage angemessener Information treffen (d.h. Erarbeiten von Entscheidungsgrundlagen, gegebenenfalls auch durch Beiziehung von Fachleuten),
  • und sie auf dieser Basis vernünftigerweise annehmen dürfen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln (Gutgläubigkeit).

Das ist im Aktiengesetz und GmbH-Gesetz gesetzlich verankertet.

Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, Entscheidungsgrundlagen zu dokumentieren. Wenn in einem Streitfall nachgewiesen werden kann, dass die BJR eingehalten wurde, ist in der Regel die gesellschaftsrechtliche Haftung ausgeschlossen.

Eine direkte Haftung gegenüber Dritten (z.B. Aktionärinnen/Aktionären, Gläubigerninnen/Gläubigern oder Behörden) ist zwar der Ausnahmefall, kann aber aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften (z.B. Bundesabgabenordnung) oder aufgrund von Bestimmungen des Gläubigerschutzes bestehen.

Nach dem Aktiengesetz können beispielsweise auch Gesellschaftsgläubigerinnen/Gesellschaftsgläubiger den Ersatzanspruch der Gesellschaft geltend machen, soweit sie von der Gesellschaft keine Befriedigung (Zahlung) erlangen können. Weitere Voraussetzung ist, dass die Vorstandsmitglieder entweder gegen besonders wichtige Vorschriften des Aktiengesetzes verstoßen oder die Sorgfalt einer/eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiterin/Geschäftsleiters gröblich verletzt (d.h. grob fahrlässig gehandelt) haben.

Nach insolvenzrechtlichen Bestimmungen haften Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführerinnen/Geschäftsführer Gläubigerinnen/Gläubigern gegenüber, wenn diesen durch die schuldhafte Verzögerung der Einleitung eines Insolvenzverfahrens ein Schaden entsteht. Darüber hinaus haften sie bis zur Höhe von 4.000 Euro für die Anlaufkosten eines Insolvenzverfahrens. Weitere Informationen zur Insolvenz, insbesondere zur Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen und zur Geltendmachung von Insolvenzforderungen aus Gläubigersicht finden sich ebenfalls auf USP.gv.at.

Entscheidungsträgerinnen/Entscheidungsträger eines Verbandes sowie von diesen Beauftragte können sich aufgrund von Bilanzdelikten nach dem StGB strafbar machen.

Nach dem Bilanzstrafrecht fallen unter den Begriff "Verbände" z.B.:

  • GmbH
  • AG
  • Genossenschaft
  • große Vereine
  • Privatstiftungen

Entscheidungsträgerin/ Entscheidungsträger ist, wer

  • Geschäftsführerin/Geschäftsführer, Vorstandsmitglied oder Prokuristin/Prokurist ist oder aufgrund organschaftlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht in vergleichbarer Weise dazu befugt ist, den Verband nach außen zu vertreten,
  • Mitglied des Aufsichtsrates oder des Verwaltungsrates ist oder sonst Kontrollbefugnisse in leitender Stellung ausübt,
  • sonst maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung des Verbandes ausübt.

Diese Personen machen sich strafbar, wenn sie

  • in einem bestimmten Medium, z.B. in einem Jahresabschluss, einem anderen Bericht oder in der Haupt-, General- oder Mitgliederversammlung,
  • eine bedeutsame wesentliche Information über die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage der Gesellschaft oder zur Beurteilung der künftigen Entwicklung der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage,
  • in unvertretbarer Weise falsch oder unvollständig darstellen,
  • und diese Handlung geeignet ist (die Möglichkeit ist ausreichend), einen erheblichen Schaden für den Verband, dessen Gesellschafterinnen/Gesellschafter, Mitglieder, Gläubigerinnen/Gläubiger oder für Anlegerinnen/Anleger herbeizuführen.

Dafür droht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, bei bei börsennotierten Unternehmen bis zu drei Jahren.

In Österreich sind auch Tathandlungen im Ausland mit Strafe bedroht, unabhängig vom Recht des Tatorts, wenn die Hauptniederlassung oder der Sitz des Verbandes in Österreich liegt.

Rechtsgrundlagen

§§ 163a, 163b Strafgesetzbuch (StGB)

Weiterführende Links

Rechtsquellen

Letzte Aktualisierung: 1. Januar 2024

Für den Inhalt verantwortlich: Bundesministerium für Justiz