Begutachtungsentwurf: Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, Arbeitsverfassungsgesetz, u.a.
Schaffung kollektivvertraglicher Mindeststandards für freie Dienstnehmerinnen/Dienstnehmer.
- Beginn der Begutachtung: 29. Juli 2025
- Ende der Begutachtung: 8. September 2025
- Geplantes Inkrafttreten: voraussichtlich 1. Jänner 2026
Ziele
- Schaffung von kollektivvertraglichen Mindeststandards für freie Dienstnehmerinnen/Dienstnehmer
- Klarstellung, dass die Kündigungsregelungen des ABGB auch für freie Dienstverhältnisse gelten
Inhalt
- Schaffung der Möglichkeit der Einbeziehung freier Dienstnehmerinnen/Dienstnehmer in Kollektivverträge
- Schaffung einer gesetzlichen Kündigungsregelung für freie Dienstverhältnisse
Hauptgesichtspunkte des Entwurfs
Das wesentliche Merkmal eines Arbeitsvertrages ist die persönliche Abhängigkeit der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers. Merkmale der persönlichen Abhängigkeit sind insbesondere: die Einordnung der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers in den betrieblichen Organisationsablauf, eine vorgegebene Arbeitszeit, ein zugewiesener Arbeitsort, eine festgelegte Arbeitsabfolge, die Bindung an Weisungen der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers sowie die laufende Kontrolle durch diese/diesen.
Wegen des wirtschaftlichen, technischen und arbeitsorganisatorischen Wandels in der Arbeitswelt kommt der Unterordnung unter eine vorgegebene Arbeitsstruktur eine tendenziell geringere Bedeutung zu. Vertragsverhältnisse, die früher als Arbeitsvertrag ausgestaltet waren, werden nunmehr häufig als freier Dienstvertrag formuliert.
Der freie Dienstvertrag ist im Arbeitsrecht gesetzlich nicht geregelt. Der freie Dienstvertrag wird nach herrschender Ansicht insbesondere charakterisiert durch
- die Verpflichtung zum Erbringen von Dienstleistungen ohne persönliche Abhängigkeit im Sinn einer Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin;
- die Möglichkeit, den Ablauf der Arbeit selbst zu gestalten und die selbst gewählte Gestaltung auch jederzeit wieder zu ändern;
- das Fehlen von laufenden Kontrollen und von Bindung an bestimmte Arbeitszeiten oder an jene persönlichen Weisungen, die für den Arbeitsvertrag prägend sind; sowie
- die Vereinbarung einer generellen Vertretungsbefugnis.
Entscheidend ist, ob bei einer Gesamtbetrachtung die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen oder nicht. Der freie Dienstvertrag ist kein Arbeitsvertrag im Sinne der §§ 1151 ff ABGB, sodass diese Bestimmungen nicht unmittelbar anwendbar sind und grundsätzlich nur die allgemeinen vertragsrechtlichen Bestimmungen des ABGB gelten. Jene arbeitsrechtlichen Normen, die vom persönlichen Abhängigkeitsverhältnis der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers geprägt sind und sozial Schwächere schützen sollen, gelangen auf freie Dienstnehmerinnen/Dienstnehmer somit nicht zur Anwendung. In Artikel 1 (Änderung des ABGB) sollen nunmehr Kündigungsregelungen für freie Dienstnehmerinnen/ Dienstnehmer geschaffen werden. Anders als Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer tragen freie Dienstnehmerinnen/Dienstnehmer bestimmte Aspekte des Unternehmerrisikos. In Artikel 2 (Änderung des ArbVG) soll hingegen die Möglichkeit der Anwendung von Kollektivverträgen auf freie Dienstnehmerinnen/Dienstnehmer nach § 4 Absatz 4 ASVG geschaffen werden. Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) erfasst in § 4 Absatz 4 freie Dienstnehmerinnen/Dienstnehmer als Personen, die sich aufgrund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen.
Das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz hat diese Definition für die Ausgestaltung des Geltungsbereiches übernommen; das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch hinsichtlich der Bestimmungen betreffend den Dienstzettel für freie Dienstnehmerinnen/Dienstnehmer und das Arbeiterkammergesetz hinsichtlich der Arbeiterkammerzugehörigkeit. Freie Dienstnehmerinnen/Dienstnehmer im Sinne des § 4 Absatz 4 ASVG sind zudem in das Insolvenzentgeltsicherungsgesetz einbezogen, auch einzelne Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes sind auf freie Dienstnehmerinnen nach § 4 Absatz 4 ASVG anzuwenden.
Kollektivverträge sind bisher nicht auf freie Dienstnehmerinnen/Dienstnehmer anzuwenden. Im aktuellen Regierungsprogramm wurde daher vereinbart, dass die Möglichkeit der Anwendung von Kollektivverträgen auf freie Dienstnehmerinnen/Dienstnehmer geschaffen werden soll. Durch deren Einbeziehung nach § 4 Absatz 4 ASVG in den Anwendungsbereich der Kollektivverträge können für diese Personengruppe nunmehr Mindeststandards festgelegt werden, die die Beschäftigung auf Basis solcher Vertragsverhältnisse und somit die Umgehung arbeitsrechtlicher Bestimmungen weniger attraktiv machen.
Weiterführende Links
Begutachtungsentwurf (→ Parlamentsdirektion)
Für den Inhalt verantwortlich: USP-Redaktion